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Gerd Riese: Mein Weg

ab 10,80 €

inkl. MwSt., zzgl. Versand

Beschreibung

Gerd Riese

Mein Weg

Biografische Gespräche mit stotternden Menschen

Demosthenes Verlag, Köln, 2016, 206 Seiten

Normalpreis: 14,80 € | BVSS-Mitglieder: 10,80 €
Preis = Schutzgebühr

ISBN 978-3-921897-85-0


Gerd Riese besucht Menschen in ihrem Zuhause. Dort erzählen Frauen, Männer, Jugendliche, Familienväter und Alleinlebende, Kunsttherapeutinnen, Handwerker und Dolmetscher, 36 oder 63, 54 oder 18 Jahre alt. Sie leben an verschiedenen Orten.
Allen gemeinsam ist, dass sie stottern. Aber damit hört die Gemeinsamkeit manchmal auch schon auf. Gerd Riese interessiert sich für ihr ganzes Leben. Nicht nur für das eine Handicap. Er stellt Fragen, die vielleicht manchmal verblüffen, Stotternde in Bewegung und ins Gespräch bringen. So entstehen spannende Porträts.

- Ein Leben mit Stottern -


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Inhaltsverzeichnis

011 . VORWORT

013 . KATHLEEN (44 Jahre)
Und wenn du mal gehänselt worden bist? Oh, dann habe ich durchaus kräftig ausgeteilt.
Ich kann wütend werden, sehr wütend. Nichts kann ich so schlecht ertragen wie Ungerechtigkeit.

029 . SVEN (26 Jahre)
Der Versuch, nicht zu stottern, erzeugt Stottern.
Genau dieses elende Prinzip hält das ganze System aufrecht.

051 . ADOLF (64 Jahre)
Wo bist du mehr du selbst, hier am Frühstücktisch, wir sind zu zweit, unterhalten uns und stottern?
Oder am Rednerpult, wo du konzentriert eine ausgefeilte Rede hältst?
Adolf zögert nicht: Ich bin immer ich selbst!

069 . PETRA (52 Jahre)
Klar stottere ich. Was ist schon dabei?
Kekeliyorum işte! Ne var bunda?
Belê, ez lalikî me. Ma qey çi dibe?

087 . WILHELM (82 Jahre)
1940 – Hitlers Armee befindet sich in Europa auf dem Vormarsch. Es sind ‚deutsche Helden‘ gefragt,
für Verlierer, Schwache, für Behinderte gibt es keinen Platz in diesem menschverachtenden System.
Im ersten Kriegsjahr wird der stotternde Wilhelm eingeschult. Im Alter denkt er daran zurück:
Die ersten Erinnerungen, die ich an das Stottern habe, sind – furchtbar!
Ich sollte vor der Klasse meinen Namen sagen ... Schrecklich! Katastrophal!
Am anderen Tag wollte ich schon gar nicht mehr zur Schule gehen.

109 . DORIS (54 Jahre)
Die Menschen bauen zu viele Mauern und zu wenig Brücken, sagte Isaac Newton.
Der stotternde Universalgelehrte hat einst die Gesetze der Schwerkraft entdeckt.
Doris vielleicht jene der Leichtigkeit?

129 . GERALD (50 Jahre)
Mein Stottern ist ein Weg. Ein Feldweg.
Hier gibt es Steine und Schlaglöcher. Und bei Regen Riesenpfützen.
Dann muss man eben außen herum. Aber trotzdem geht es geradeaus.

145 . JANNIS (35 Jahre) und STEFANIE (27 Jahre)
If you want to be afraid, just be afraid
If you want to be alone, just be alone
If you want to give a kiss, just give a kiss
If you want to fall in love, just fall in love
If you want to never know, just never know
But do it now! Timing is the answer, is the answer to success …

169 . LISA (18 Jahre)
Ich habe mich mit meinem Stottern zu häufig versteckt.
Ich weiß von mir selbst, dass ich viel mehr kann, als ich zeige.

183 . STEFFEN (37 Jahre)
Hast du dir eigentlich schon einmal die Frage gestellt, ob eine wirkliche Heilung vom Stottern
vielleicht so aussehen könnte, dass du gar nicht mehr geheilt werden möchtest?

197 . Verzeichnis der Fotos


Vorwort

Ich habe elf Menschen besucht. Allen gemeinsam ist, dass sie stottern. Doch dann – hört das Verbindende mitunter schon auf. Auch Menschen, die stottern, sind sehr unterschiedlich, sind ganz und gar unverwechselbar.
Die Jüngste ist achtzehn, der Älteste zweiundachtzig Jahre alt. Wir sitzen in ihrem Wohnzimmer oder der Küche und frühstücken zusammen. Ein kleines digitales Aufnahmegerät liegt auf dem Tisch zwischen Kaffee, Croissants und Brötchen, Käse, Rührei, Marmeladen. Bald ist es vergessen. Die Menschen erzählen mir aus ihrem Leben. Frauen und Männer, Jugendliche, Familienväter und Alleinlebende. Handwerker, Lehrer, Frührentner, Dolmetscher und Informatiker. Immer interessiere ich mich für ihr GANZES Leben, nicht nur für das eine Handicap. Ich stelle Fragen, die vielleicht manchmal verblüffen, die mit dem Stottern auf den ersten Blick nicht unbedingt etwas zu tun haben. Fragen, die uns in Bewegung und ins Gespräch bringen.
Zumeist habe ich, wieder daheim, die ersten ein oder zwei Seiten geschrieben, ohne die Audiodatei zu benutzen, nur aus einem Bild der Erinnerung heraus. Es war wie das Setzen der ersten Pinselstriche beim Malen eines Porträts auf ein weißes Stück Leinwand. Dann erst habe ich begonnen, tatsächlich hinzuhören und zu fragen: Wo klingt die Wirklichkeit, die innere Wahrheit dieses einen besonderen Menschen an? Habe ich wirklich immer gut zugehört, aufmerksam nachgefragt, kein leises Stichwort überhört, das uns, hätte ich es wahrgenommen, vielleicht auf eine ganz andere Lebensfährte geführt hätte?
Ich suchte die Stärke, das Einmalige, ich suchte das Besondere, die Fähigkeit. Ich malte ein Bild. In einem Porträt ist immer auch der Pinselführer indirekt mit auf dem Bild. Die Texte in diesem Buch stellen also nicht nur die Menschen selbst dar, sondern immer auch das Bild, das in mir von ihnen entstanden ist.
Elf Leben mit einem Handicap. Elf Leben des Trotzalledem. Elf Leben voll von Fragen. Wie jedes bewusste Leben.

Gerd Riese


Autoren

Gerd Riese wurde 1950 geboren, wuchs in Kettwig an der Ruhr auf, studierte in Marburg, versuchte sich an einem Künstlerleben in Köln und arbeitete fast dreißig Jahre lang als Lehrer für sogenannte geistigbehinderte Kinder an einer Privatschule in Dortmund.
Schon immer schrieb er. Für seinen Gedichtband „Das Licht am frühen Morgen“ (Grupello Verlag, Düsseldorf) erhielt er 2006 den Ersten Preis der Rauner-Stiftung.
Heute lebt er wieder an der Ruhr, in Witten, achtundvierzig Kilometer stromaufwärts. Noch wie vor stottert er und ist seit vielen Jahren Mitglied der Bundesvereinigung Stottern & Selbsthilfe.
Mit seinem ersten Buch im Demosthenes-Verlag „King George, Chagall, die Monroe und wir. Erzählungen aus dem Leben stotternder Menschen“ war er auf zahlreichen Lesungen in halb Deutschland unterwegs, Auftritte zumeist im Duett mit seiner Frau, Ilona Richter. Sie hat auch die Fotos zu diesem Buch beigesteuert: LebensWEGE.

Ilona Richter (Fotos), geboren 1955 im dörflichen Ruhrgebiet und dort dem Leben entgegen gewachsen, ab 1974 anderorts unterwegs gewesen. Mit 12 eine erste Kamera: "Sonne" oder "Wolken" und ein "Blitzwürfel" als Wahlmöglichkeiten. Mit der "Chapeau-Claque-Kamera" des Vaters Fotos während erster Rucksack-Reisen. Eine "Praktika" mit Wechselobjektiven - wunderbar! Eine Begleiterin über Jahre. Bis die erste Nikon ... Irgendwann der Wechsel von analog zu digital und damit zur Bilderflut. Die Freude an der Fotografie ist geblieben, das Lernen und Entdecken geht immer weiter.
Ansonsten: Leben sowohl auf dem Land als auch in verschiedenen Großstädten im In- und Ausland. Begeisterte Ortswechslerin - bis zur Wiederentdeckung des Ruhrgebiets in den 1990er Jahren - seither standorttreu. Berufliche Vielfalt, im Hauptberuf Heilpädagogin. Die Herausforderungen der alleinerziehenden Mutterschaft halbwegs gemeistert. Reisefreudig. Familienmensch. Neugierig auf die Buntheit des Lebens und die Möglichkeiten, diese in Fotos festzuhalten. Seit 15 Jahren bereichert Gerd Riese mein Leben - ein vielseitig begabter Mensch, der stottern kann.


Rezensionen und Meinungen

aus: Der Kieselstein, 39. Jahrgang, Heft 2, Mai 2017, Forum der Bundesvereinigung Stottern & Selbsthilfe e.V.

Auf dem BUKO in Wiesbaden wurde ich auf die Neuerscheinung von Gerd Riese aufmerksam. Es ist nicht sein erstes Buch, welches sich mit Stotternden beschäftigt. Aber dieses Mal ist es eine ganz neue Herangehensweise an das Thema Stottern. Der Autor hat sich auf den „WEG“ gemacht, um mit Stotternden über ihr Leben zu sprechen und um Fragen zu stellen, die nicht immer einen Bezug zum Sprechen haben. Es sind biografische Geschichten, welche aufzeigen, was Stottern für den Einzelnen bedeutet hat und wie es sich heute noch auf das Leben auswirkt.
Mir erscheint es durchaus auch als eine Art Mut-mach-Buch für Betroffene, die ihren „WEG“ mit dem Stottern als ständig präsenten Begleiter noch nicht gefunden haben bzw. diesen noch sehr freudlos gehen. Die Menschen in diesem Buch haben „WEGE“ gefunden, die ihnen ein gutes Leben mit bzw. trotz Stottern ermöglichen. Nicht immer war es einfach, manche Teilabschnitte schwer zu begehen, aber ab und zu half auch eine Portion Glück zur Leichtfüßigkeit auf der folgenden Strecke. Es ist durchaus auch ein interessantes Buch für Normalsprechende, um einen Einblick in das Leben und Befinden von stotternden Menschen zu bekommen.
Die Fotos von Ilona Richter – LEBENSWEGE –, finde ich sehr passend. Jeder „WEG“ ist anders. Mal uneben, mal eng. Mal lädt er zum Verweilen ein und mal wird man zum Halt gezwungen. Mal lockt er mit viel Schönem zum Weitergehen und mal lässt er bei kurzer Rast den Blick in die Ferne zu.

Doris Reifarth, Braunsbedra

aus: mit SPRACHE, Fachzeitschrift für Sprachheilpädagogik 2/2019, Österreichische Gesellschaft für Sprachheilpädagogik, Wien

...Das Buch macht deutlich,dass man an Hindernissen wachen kann. Einig sind sich alle diesbezüglich, dass man das Stottern erst in den Griff bekommen kann, wenn man es innerlich akzeptiert hat. Denn jeder Versuch, nicht zu stottern, erzeugt Stottern. Die Fotos zu diesem Buch hat Gerd RIESEs Frau, Ilona RICHTER, beigesteuert. Thematisch beschäftigen sich die Fotos mit den "LebensWEGEN" und sind jeweils zu Beginn als auch am Ende eines Portraits zu finden. Es handelt sich um Fotos, die zum Nachdenken anregen und inhaltlich sehr treffend sind. Das Buch ist äußerst kurzweilig und abwechslungsreich verfasst, die Leserin/der Leser kann sich gut in das Leben der elf Persönlichkeiten hineinversetzen und gedanklich mitfühlen

Karin Neusburger


Lesung zum Thema „Stottern“
Gerd Riese und seine Frau erzählen bewegende Geschichten

Ochtrup - Bewegende Geschichten und Biografien waren am Mittwochabend in der Bücherei St. Lamberti zu hören. Dort war Gerd Riese zu Gast. Der Autor las zusammen mit seiner Frau Ilona Richter aus seinem Werk „Mein Weg“ vor, in dem er Menschen, die stottern porträtiert.

Von Irmgard Tappe

„Dies ist ein Reportagebuch und enthält nichts Fiktives“, sagt Gerd Riese und hält sein jüngstes Werk „Mein Weg“ in den Händen. Der 66-jährige Autor schaut in die erwartungsvollen Gesichter der 30 Besucher seiner Lesung in der Bücherei St. Lamberti. „In diesem Buch“, kündigt er an, „kommen elf Menschen aus unterschiedlichen Berufen und gesellschaftlichen Schichten zu Wort. Die Jüngste ist 18, der Älteste 82. Sie alle haben gemeinsam, dass sie stottern.“ Wohl kaum jemand hätte diese Interviews so einfühlsam führen können wie Gerd Riese. Denn auch er ist ein Betroffener, wie er freimütig bekennt.
Die Menschen in seinem Buch hat er nach dem Lebensweg als Stotternde befragt. „Wie Serpentinen – bergauf und bergab“, hatte eine Frau namens Kathleen ihm geantwortet. „Da ich weiß, dass manche Menschen über mich lachen, bin ich stärker und sensibler geworden. Ich kann es nicht ertragen, wenn jemand ausgegrenzt wird, weil ich dieses Gefühl kenne“, erzählt Kathleen.
„Ich nehme mich, wie ich bin. Und ich mag mich.“

Gerald
Gerald beschreibt seinen Weg als „Feldweg mit vielen Pfützen“. Er hat neben dem Stottern ein weiteres Handicap. Seit einer Hirnhautentzündung im Kindesalter leidet er an einer Spastik. Dennoch geht er selbstbewusst mit seinen Barrieren um: „Ich nehme mich, wie ich bin. Und ich mag mich“, sagt der 50-Jährige, der den Kontakt zu seiner Mutter abgebrochen hat. „Sie hatte ein starkes Prestigedenken und zeigte mir täglich, dass ich nicht in ihren Lebensentwurf passte.“
In den Lebensgeschichten wird deutlich, wie unterschiedlich Eltern mit den Sprechbarrieren ihrer Kinder umgehen. Der 64-jährige Adolph schätzt es sehr, dass sein Vater ihm trotz des Stotterns immer etwas zutraute. „Versuche, ob du singen kannst und versuche, in einer Runde mindestens einmal etwas zu sagen“, hatte er ihn stets ermutigt.
„Man kann sich immer weiterentwickeln – egal, wie alt man ist.“

Das Motto von Doris
Im Dialog mit seiner Frau Ilona Richter stellt Gerd Riese verschiedene Menschen vor. Eine Frau ist auch unter den Besuchern der Lesung. Sie heißt Doris, arbeitet als Heilpädagogin und Kunsttherapeutin, sieht das Leben als Abenteuer und ist stets auf der Suche nach neuen Erfahrungen. Ihr Motto: „Man kann sich immer weiterentwickeln – egal, wie alt man ist.“ Dass sie stotterte, sei ihr in der Kindheit gar nicht bewusst gewesen. „Nicht reden, sondern schlucken und schweigen“, mit diesem Frauenbild wuchs sie auf einem Bauernhof auf. Ihr Opa dominierte und ihre Mutter, die geduldete Schwiegertochter, musste funktionierten.
Es sind bewegende Geschichten, die Gerd Riese und seine Frau erzählen. Jede Biografie ist anders. Alle haben gemein, dass sie sich zu strebsamen Menschen entwickelt haben und ihren Weg gehen. Ach ja, und sie stottern.

© Westfälische Nachrichten - Alle Rechte vorbehalten 2017
Westfälische Nachrichten (Ochtrup), 30.03.2017