Rezensionen und Meinungen
aus: Der Kieselstein, Februar 2007
Wie heißt es doch kurz und knapp: „Stottern ist die Angst vorm Stottern.“ Den Wahrheitsgehalt dieser paradoxen Aussage müssen Stottertherapeuten kennen und beherzigen; denn sie haben es mit Menschen zu tun, die Sprechangst und Vermeidungsverhalten zeigen oder ihr holpriges Sprechen schamhaft verbergen. Derlei kennen „Normalsprechende“ auch, aber das Phänomen Stottern hat für Betroffene noch andere körperliche und seelische Ausprägungen. Dazu ergeben sich im Laufe des Lebens soziale Konsequenzen, die meist mit Nachteilen verbunden sind.
Michael Decher ist seit 1983 Logopäde, bzw. Lehrlogopäde in Erlangen. Er hat den Erfahrungsschatz seiner über 20jährigen Tätigkeit in einem Buch zusammengefasst unter dem Titel: Redefluss – Keine Angst vorm Stottern.
Die fünf Hauptkapitel in dem Buch ähneln dem Konzept von Charles Van Riper:
1. Der Rahmen
2. Wahrnehmung und Sensibilisierung
3. Modifikation
4. Desensibilisierung und Selbstsicherheitstraining
5. Stabilisierung und Nachsorge.
Dazu kommen Erfahrungen aus der Praxis zum Therapieverhalten des Therapeuten, der auch als Berater in Lebensfragen fungiert, z.B. bei Themen, die sich besser von Mann zu Mann bereden lassen. Der Therapeut sollte sich vor falschem Ergeiz hüten, der auf Kosten der Patienten geht. Im Kapitel „Weitere Aspekte“ erwägt Decher, ob Stottern eine Sucht ist und zählt weiterhin 15 Faktoren auf, die den Therapieerfolg im Wesentlichen beeinflussen können.
Über das Thema Selbsthilfe gibt es ein kleines Kapitel von nur zwei Seiten, in dem er vor therapeutischem Wildwuchs in Selbsthilfegruppen warnt, wenn z.B. ein Videogerät nicht behutsam eingesetzt wird. Decher rät zur Vorsicht und Zurückhaltung im Umgang mit Aufnahmegeräten. Ebenso berechtigt ist der Einwand, wenn der „Leiter“ einer ihm bekannten Regionalgruppe eine eigene Therapiemethode entwickelt hat, die er den Teilnehmenden der Gruppe „sehr ans Herz legt.“ Selbsternannte Gurus, die damit den sanften Gruppenzwang installieren wollen und den Oberpavian mimen, sind auch dem Rezensenten immer schon suspekt gewesen. Dass stotternde Therapeuten in jedem Fall die besseren Therapeuten sein sollen, halte ich für ein maßloses, übles Gerücht.
Michael Decher bleibt sympathisch auf dem Teppich. In über 20 Jahren Praxis lernt man seine Grenzen kennen und erfährt im Umgang mit Schwerenötern auch seine eigenen Begrenztheiten. Wohl dem, der sie zu erkennen und akzeptieren weiß. Was Decher mitzuteilen hat, ist umfassend, allgemeinverständlich, praxisnah, und er weiß einiges über menschliche Kommunikation zu vermitteln. In der Einleitung heißt es: „Stottern – das ist eine Kommunikationsstörung, die den Fluss der gesprochenen Sprache stört...“ Eben den Redefluss!
Harald Strätz
aus: socialnet.de, 10.12.2006
Das Buch gibt für sprachtherapeutisch Tätige praktische Hinweise und liefert konkrete Übungen. Betroffenen und Angehörigen wird mit Hilfe des Buches ermöglicht, die Perspektive des Therapeuten besser nachzuvollziehen und auch ein tiefergreifendes Verständnis für die Konzeption einer Stottertherapie zu erlangen.
Das Buch von Michael Decher ermöglicht es, von den Erfahrungen eines langjährig im Bereich der Stottertherapie Tätigen zu profitieren. Der weitgehende Verzicht auf Fachtermini geht zwar damit einher, dass, wer an theoretischen Hintergründen interessiert ist, auf weitere Literatur verwiesen werden muss, ist aber andererseits auch die Stärke des Buches, welches so einen leichten Zugang zur Thematik ermöglicht. Das Buch wurde mit großer Empathie für die Betroffenen geschrieben und zeichnet sich durch hohe Praxisnähe aus. Es lohnt vor allem für noch weniger im Feld Versierte der Anschaffung.
Lena Becker
Siehe auch unter „socialnet“:
www.socialnet.de/rezensionen/4188.php